Die Kriegserklärung

EINE WICHTIGE KABINETTSSITZUNG
"Meine Damen und Herren vom Kabinett, wir haben einen Feind“, hat der Schultheiß gesagt und Beifall heischend in die Runde geschaut. Die öffentliche Sitzung ist vorbei. Jetzt sitzen die Kabinettsmitglieder in nicht öffentlicher Runde zusammen und sagen das, was sie vor ihren Bürgern verheimlich wollen.
„Ja, wir haben einen Feind“, hat der Kugler unterwürfig zugestimmt. „Einen Feind haben wir.“
„Ja, und einen solchenen Feind schon, den wir da haben“, nuschelte Rosalie Gscheidle dazwischen. „Und wer ist unser Feind?“
Rosalie Gscheidle, die ihrem Namen alle Ehre macht, läuft meist in einer ausrangierten Burka und bis auf den Kopf verschleichert herum. Den Kopf wiederum ziert ein auffallend falscher Zopf. Darunter befindet sich ein sauertöpfisches Gesicht. Auf ihre internationalen Beziehungen beruft sich Rosalie Gscheidle und behauptet, ein Scheich habe ihr vor 20 Jahren die Ehe versprochen und deshalb wolle sie ihre Unschuld so lange bewahren, bis er kommt und sie aus Pollykarpsing abholt. Hinter vorgehaltener Hand jedoch wird gelästert, sie habe längst Spinnweben angesetzt, was auch der Grund ihrer Verschleierung sei.
„Und wer ist nun unser Feind?“, bohrt Rosalie Gscheidle nach.
„Na, de andere hoid.“ Der Schultheiß bringt es nicht übers Herz, den Namen Polly Polster auszusprechen. Zum einen bin ich ihm seit kurzer Zeit zuwider, zum anderen stolpert er regelmäßig über das harte P.
„Und wer nachat, die andere?“, wollte Franz Graabpichler ungeduldig wissen. Graabpichler ist bodenständig und kann wenig mit den mysteriösen Andeutungen des Schultheiß anfangen.
„Na, die Bolly Bolster halt", druckst der Schultheiß herum.
Ganz schlecht wird ihm dabei.
"Und warum ist de Polster jetzt unser Feind?" frägt der Toni Mesner nach. "Mei Feind is des fei net!"

WER WUI DENN SCHO WISSN, WOS WAHR IST?
Der Schultheiß springt vom Ratstisch auf, als habe ihn eine Tarantel gestochen.
"Wenn i sog, des is unsa Feind, dann is des a unser Feind! Und damit basta!" schreit er los.
"Ja, is ja scho recht. I hob ja bloß gmoant...".
Weiter kommt der Mesner Toni nicht. Der Franz Eggenhofer, der heimlich Bürgermeister von Pollykarpsing, ergreift das Wort.
"Mein verehrten Damen vom Kabinett und meine verehrten Herren vom Kabinett, lieber Herr Schultheiß. Wir in unserer Fraktion haben alles besprochen und da haben wir beschlossen...".
"Ich nicht!", mischt sich kleinlaut Xaver Schindlhuberknecht ein.
Was den Eggenhofer vollends aus der Fassung bringt. Er haut mit der Faust auf den Ratstisch und schreit: "Auch du, du Abtrünniger du!"
Dem Graabpichler wird es jetzt zu bunt.
"Soin mia net erst amoi über de Million Markln redn, de aus da Gemeindekasse verschwunden san?"
"Ha?" Der Schultheiß schüttelt wütend seinen Kopf. "Wir machen gerade unseren Feind aus und du willst über Labbalien reden? Du Debb du."
Der Schultheiß kann nicht nur kein hartes P aussprechen, er hangelt sich zudem zwischen Hochdeutsch und einem oridinären Bayrisch hin und her.
Der Graabpichler lässt nicht locker.
"Wieso is denn de Polster plötzlich unsa Feind?"
"Weils was gschrieben hat", gibt Schultheiß einem Oberlehrer gleich bekannt.
"De schreibt doch immer. Und gschriem hods bloß, wos a wahr is!", mault Graabpichler nach.
"Genau des is ja unser Problem", schreit der Eggenhofer.
"Wer wui denn scho wissen, wos woa is?"
"Ich!", wagt sich Schindlhuberknecht unter dem Tisch hervor und handelt sich eine ordentliche Watschn vom Eggenhofer ein. Der drängt jetzt darauf, Nägel mit Köpfn zu machen.

ANTRAG AUF AUSWEISUNG
"Meine sehr verehrten Damen vom Kabinett, meine sehr verehrten Herren vom Kabinett, lieber Herr Schultheiß. Wir in unserer Fraktion haben alles besprochen und beschlossen, dass wir einen Antrag auf Ausweisung dieser Polster aus unserem Dorf stellen", rückt jetzt Eggenhofer raus.
Der Schultheiß unterstützt ihn: "Ich will nichts mehr mit dieser Person zu tun haben. Wir schmeissen sie aus unserem Dorf heraus."
"Ja, hods denn a gschlamperts Verhältnis oda hods goa a ledigs Kind?", frägt jetzt der Sepp Gablhofer nach.
Dem Schultheiß wirds heiß. Er versucht, das Thema zu wechseln.
Doch Gablhofer gibt nicht auf.
"Hä, Schultheiß. Red koan Scheiß net. Bist net ausgrechnet du immer ganz lustig in ihram Windschatten mitgsegelt?" frotzelt er weiter. "Habts gar wos ghabt mitnand und hods di nachad hocka lassn?"
"Ich hab nie nie nicht mit nie jemandem nie etwas gehabt", stottert der Schultheiß jetzt herum. Wenngleich er des Öfteren schon in gewissen Etablissement und mit leichtfertigen Mädchen gesehen wurde.
"Wos werstn nachat goa a so rot, Schultheiß?"
Schultheiß sieht seine Felle davon schwimmen und ist richtig froh darum, dass jetzt der Graabpichler noch einmal nach der verschwundenen Million frägt.
"Die sind gar nicht verschwunden", versichert der Schultheiß, froh, dem amourösen Kreuzverhör zu entkommen. "Die Million ist da."
"Ja, wia nachat, de is da?"
"Ja, da halt."
"Ja, und wo is des da halt?"
"Ja, jetzt is no net so ganz da. Aber nachat is dann scho da. Alles in Grundstücke angelegt."
"Dann hast bestimmt an Grundbuchauszug?", stellt der Graabpichler fest.
Jetzt werden auch die anderen Kabinettsmitglieder hellhörig und wollen ganz genau wissen, wo die Million abgeblieben ist...

EINE LAPPALIE VON NUR 999200 MARKL
Der Schultheiß windet sich erneut. Einen Grundbuchauszug könne er nicht vorweisen, weil, den hat einer so versteckt, dass man ihn gerade nicht findet.
Die Gscheidle kommt ihrem Gemeindechef zu Hilfe. "Also, 300 Markl davon hat die Polster für ihr komisches Blütenfest bekommen", zischelt Rosalie Gscheidle. "Ich hätt's ja für umasonst gemacht. Aber mi wollt ja niemandn haben."
"Weils z'bled bist", zischelt der Graabpichler dazwischen.
Beleidigt wirft sich nun die Gscheidle auf ihrem Stuhl zurück nicht ohne vorher einen Antrag zu stellen, die Polster zu zwingen, über jeden Pfennig, die sie für das Blütenfest ausgegeben hat, Rechenschaft abzulegen. "Es handelt sich dabei ja schließlich um öffentliche Gelder", stichelt Gscheidle weiter.
"Ja, ja. Ich fordere doch auch schon lange, dass hier eine Rechtfertigung her muss", fühlt sich der winselende Korbinian Krautwickerl bemüßigt, seinen Senf dazu zu geben.
"Hä? Hörts auf mit dem Schmarrn. Des san grod 300 Mark gwesen und jeder von uns war auf dem Blütenfest. Schee waars und rentiert hat sich a. I mecht wissen, was mit de restlichen 999700 Markln passiert ist? Sind das keine öffentlichen Gelder?", ärgert sich jetzt der Graabpichler über die kuriose Diskussion.
Wie schon die Gscheidle, versucht jetzt auch, der Eggenhofer dem Schultheiß aus der Patsche zu helfen.
"Meine sehr verehrten Damen vom Kabinett und meine sehr verehrten Herren vom Kabinett. Ich und meine Fraktion habe gerade für mich beschlossen, dass so eine Lappalie keinen Aufstand nicht Wert ist. Wenn der Schultheiß sagt, das Geld ist da, dann sage ich das auch und dann ist das Geld auch da. Damit basta", beendet er die Diskussion.
Rosalinde Gscheidle hakt nach. "Genau. Aber aufklären sollten wir schon, was die Polster mit den 300 Markln gemacht hat. Ich mache mich sofort an die Recherche und stelle hiermit Antrag auf Genehmigung von Spesen für mich über 3200 Markln. Wir brauchen schließlich einen Detektiven und ich brauche einen persönlichen Fahrer."
Extra erwähnt werden muss nicht, dass noch in gleicher Sitzung die 3200 Mark ohne große Diskussion genehmigt wurden. Außerdem wurde dem Antrag Gscheidles stattgegeben, ihr die Sozialhilfe aufzustocken und ihr zudem Unterschlupf in einem gemeindeeigenen Haus zu gewähren.






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