DA BOANDLKRAMER

Dem Schultheiß sei bester Spezi is da Boandlkramer, mit bürgerlichem Namen Max Reiber. Korrupt und brunstdumm, wie man so schön sagt, ist er. Da steht er nun vor mir und winselt herum. Wie auch der Schultheiß, kann einem der Boandlkramer, früher mal beim Zoll beschäftigt, nicht in die Augen schauen.
"Mei, schee schreibst allaweil", schleimt der Boandlkramer.
"Muaßt eigentlich alles schreiben, was so passiert?"
"Es gibt Grenzen. Aber wenn einer ein Haderlump ist, kommt er mir net aus", sag ich, wohlwissend, dass der Boandlkramer wieder etwas ausgefressen hat.
"Welche Leich' hastn wieder verschoben?"
"Ja nia net hab' ich was getan", wehrt der Boandlkramer entschieden ab. Die Augen im feisten Gesicht verdreht er dabei so, als würde er einen ganz besonderen Kontakt zu dem da oben pflegen.
"Der Herr ist mein Zeuge, nia net tu ich was Unrechtes ... Nur gut mein ichs mit den Leuten. Also, dawischt hams mich schon. Ich mein, i hab nix getan, aber die anderen meinen, ich habe was getan."
"Sag amal, Boandlkramer, du warst doch gestern auch bei dem Gespräch dabei, wo die Bagage ausgemacht hat, mir den Tod vom Bauderer in die Schuhe schieben?", frag ich ihn unverhofft.
So erschrocken, wie jetzt, hab' ich den Boandlkramer selten gesehen. Bleich ist er, wie einer seiner Kunden. Der Schuss ging ins Schwarze. Er kann nicht so schnell auf den Themenwechsel reagieren und fällt prompt herein.
"Also, ich hab' zum Schultheiß gleich gsagt, da mach' ich net mit. Glaub mirs Polster, mia san doch oide Freind."
"Oid ja", sag ich, "san mir inzwischen geworden. Aber Freind san mir scho lange nicht mehr. Laß' gut sein und geh heim."


Hund eines Zollbeamter versetzt Siedlung in Angst und Schrecken
Der Boandlkramer lässt nicht locker. Wie damals, vor zehn Jahr, als er winselnd vor meinem Schreibtisch gestanden hat. In der Zolluniform und elf Weißbier intus.
"De kriang mia olle, de moana, se kennas Rauschgift schmuggeln ohne dass Steiern zahlen miassn", lallte er. Als Hundeführer war er abkommandiert, unfähig, das Steuersystem zu hinterblicken. Adolf hieß der Schäferhund, der vom Boandlkramer mehr Prügel als Futter bekam. Und wenn der Boandlkramer besonders besoffen war, hat er dem Adolf mit den Füßen in die Lenden getreten. Weshalb Adolf auch besonders aggressiv war und in der Siedlung alles und jeden versuchte, anzugreifen. Selbst Kinder waren vor dem aggressiven Hund nicht sicher.
Ich bot Max Reiber einen Stuhl an, weil ich befürchten musste, dass er umkippt.
"Hock' dich erst einmal hin und dann erzähl', was'd willst. Komm' mir aber nicht damit, dass ich wieder nichts über den jüngsten Vorfall schreiben soll", sag ich ihm.
Wie schon öfters in der Vergangenheit, hat Max seinen Schäferhund unbeaufsichtigt im Garten gelassen. Dieser aber, trainiert und durchaus in der Lage, einen Zaun von gerade einmal eineinhalb Metern zu überspringen, hat die Gelegenheit genutzt und ist zum wiederholten Male ausgebüchst. Ein erstes Opfer, eine Bulldoge, war ihm dann doch zu widerspenstig. Bis auf ein paar Bisswunden ging die Begegnung glimpflich aus. Für den kleinen Fox-Terrier "Schleiferl" aber hatte das Zusammentreffen weitaus schlimmere Folgen. Während die 16-Jährige Susi, die Schleiferl ausführte, verzweifelt versuchte, die Hunde zu trennen, biss sich Falco in Schleiferl fest. Erst das beherzte Eingreifen der Hundebesitzerin, die durch das Schreien von Susi aufmerksam gemacht wurde, rettete Schleiferl das Leben. Insgesamt zehn tiefe Bisswunden musste der Tierarzt nähen.
Weil dies nicht der erste Vofall war, hatten Nachbarn angerufen und gebeten, der Sache nachzugehen.
Bevor Max Reiber, dessen Zunge durch den Alkohol sehr locker sass, weiter winselte, bat er mich um ein Weißbier.
"Ich zahl' dirs auch", sagte er.
Ich bot ihm einen Kaffee an, was Reiber mit Entsetzen ablehnte.
"Willst mich vergiften", blaffte er mich an.
Und dann legte er los. Er erzählte von seiner verkorksten Kindheit, dass er der Mutter das Auto und auch Geld geklaut hatte und dass er auch sonst einiges auf dem Kerbholz hatte. Und dass er froh sei, beim Zoll untergekommen zu sein.
"Wennst jetzt aber schreibst, dass mir des mit dem Adolf wieder passiert ist, schmeissens mich raus", wimmerte er.
Redselig war er, der Boandlkramer. Er erzählte, dass sie ihn beim Zoll erwischt haben, dass er ein paar Gramm Rauschgift für sich zur Seite getan hatte und dass er bereits eine Abmahnung erhalten hat. Da er wegen der Vorkommnisse mit Adolf außerdem als Hundeführer ungeeignet schien, drohte ihm nun endgültig der Rauswurf.
"Unehrenhaft wollen's mich entlassen. Des kannst doch nicht verantworten", flehte er.
Ich versprach, die Geschichte so sachlich als möglich zu schreiben. Da jedoch schon das Gemeindeamt eingeschaltet worden war, konnte und wollte ich sie nicht unter den Tisch fallen lassen. Zumal sich auch bereits andere Blätter für den Vorfall interessierten.
Der Altinger Dorfbote titelte dann auch ganz groß: "Zollhund verbeißt sich in Schleiferl - kräftiger Schäferhund versetzt Nachbarschaft in Angst und Schrecken."
Wenige Monate danach hat Reiber in "gemeinsamen Einvernehmen" den Zolldienst verlassen.










Heute verdient er als Boandlkramer sein Geld. Kollegen aus der Branche sagen von ihm, er sei ein Grattler, der nicht einmal vor dem Tod eine Ehrfurcht habe. Und so gehe er auch mit den Verstorbenen um. Kaum haben sich die Anverwandten ein letztes Mal verabschiedet und es klappt der Sargdeckel zu, beginnt das eigentlich Geschäft für Max Reiber. Bevor der Sarg sich auf den Weg ins Krematorium macht, schaut Max noch schnell nach dem Verblichenen. Nicht einmal eine halbe Minute braucht er, dann sind teure Seidenkissen und wertvolle Beigaben gegen billiges Styropor ausgetauscht. "Is eh wurscht, was verbrennt wird", sagt sich der Boandlkramer. Die Seidenkissen und Decken verkauft er dann neu für die nächste Leich'.
Noch hat der Boandlkramer nicht gesagt, was er von mir will. Er hat sich aber inzwischen nebenan im Supermarkt zwei Weißbier und eine dicke Zigarre geholt. Fürs Weißbier gebe ich ihm ein Glas, die Zigarre aber, sage ich ihm, soll er gefälligst zu Hause rauchen.
Umständlich, aber dennoch, fängt Max Reiber endlich von dem zu reden an, was er auf dem Herzen hatte.
"Ich kandidier doch für fürs Kabinett", lallt der angehende Politiker.
"Da hast an Scheck und dann schreibst immer recht schee für mi. Wenn i eini kimm, kriagst noch amal die gleiche Summe."
Mit seinen Wurschtlfingern und einem sündteuren Füllfederhalter füllt Rieber einen Scheck über 5000 Euro aus.
Ich nehm den Scheck, schau ihn ganz lange an, dann halte ich ihn mit dem Zeigefinger und dem Daumen der rechten und mit dem Zeigefinger und dem Daumen der linken Hand und beginne, genüsslich das Papier entzwei zu reissen.
"Bist narrisch", schreit der Boandlkramer.
"Bist narrisch. Davon kannst zwei Jahr leben, wennst a bißerl sparsam bist."
"Genau", sag ich. "Wenn ich sparsam bin. Bin ich aber nicht und deshalb schleichst dich jetzt. Aber ganz gschwind."



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