Ein Mord kommt nicht von ungefähr

Meine sehr verehrten Damen vom Kabinett, meine sehr verehrten Herren…äh, der Eggenhofer schaut in die Runde. Er sitzt nicht im Kabinett, sondern im Wirtshaus zum „Oidn Wirt“ im Untern Dorf. Die Rosalie Gscheidle sitzt noch da, heute in einem rosa Rüschenkleid, der Schultheiß, der nach wie vor kein hartes P aussprechen kann und da Korbinian Krautwickerl, der, wie gesagt, opportun sei Fahnderl gen Wind hängt.
„Sehr geehrte Freunde und sehr verehrte Freundin“, verbessert der Eggenhofer seine Ansprache. Er muss jede seiner Wortbeiträge mit einem „meine sehr verehrten…“ oder „meine sehr geehrten…“ beginnen. Sonst findet er den Faden nicht. Selbst innerhalb seiner Familie beim Mittagstisch beginnt er mit „verehrte Familienmitglieder…“ und wünscht sich dann im Namen von seiner Familie selbst und auch den anderen einen guten Appetit. Wobei er ausdrücklich betont, wie schwer er für das tägliche Mahl schuften muss. Schachern, sagen die dazu, die ihn kennen.
„Sehr geehrte Freunde und sehr verehrte Freundin, lieber Schultheiß. Mia missn Nägel mit Köpf macha.“
Das Quartett ist bei seinem Lieblingsthema angekommen.
„Die Polster muss weg und mit ihr auch gleich noch der Pollykarpsinger Dorfbote“, fordert der Eggenhofer.

KRAUTWICKERL WEISS WAS
Ein sakrischer Zufall, dass ich ausgerechnet am Nachbartisch sitze und lediglich durch einen schon ziemlich ramponierten, aber in diesem Falle doch praktischen Kleiderständer, verborgen bin. Zwischen zwei Mänteln hindurch ist der Sehschlitz gerade so breit, dass ich das Quartett beobachten kann. Der Kellnerin, meiner Resi, geb ich ein drastisches Zeichen, dass sie mich nicht verraten darf. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich verdurste.
„Ja, dera Bolster miasn mia was anhängen“, fordert der Schultheiß. „De steht uns und unseren Geschäften im Wege.“ De Gscheidle und da Krautwickerl unterstreichen die Forderung durch ein kräftiges Kopfnicken. Gleichwohl sie nicht wissen, um was es geht. Gscheidle nickt so heftig mit ihrem Kopf, dass dabei der mit einer rosa Schleife versehene künstliche Dutt gar arg ins Wanken gerät.
D’Resi aber serviert mir unaufgefordert über ein Hintertürl und so diskret, dass ich ihr das gar nicht zugetraut hätte, einen saftigen Schweinsbraten mit Knödln und einer gehörigen Portion Sauerkraut. Dazu eine frische Maß Bier.
Sie schmunzelt nur und flüstert: „Des schreib’ i dera Bagage da drüben mit auf dRechnung.“
Dem Krautwickerl, so scheints, ist eine Idee gekommen. Nervös rutscht er auf seinem Stuhl hin und her und hebt, wie im Kabinett auch, den Zeigefinger in d’Höh. Und der Schultheiß erteilt ihm auch schon das Wort.
„Ich stell mich auf das Podest am Marktplatz hin und erzähl den Leuten, die Polster hat einen umbracht“, platzt der Krautwickerl heraus. "Das ist ganz neimodisch und hoaßt se das sprechendes Eck."


GSCHEIDLE UND IHRE BEZIEHUNGEN

Während es mir hinter dem Kleiderständen den Knödl von der Gabel haut, ist am Vierertischerl breite Zustimmung vernehmbar.
„Net schlecht“, nickt der Schultheiß anerkennend mit’m Kopf. "Hä, hä, sprechendes Eck. Genehmigt."
„Da mach’ ich sofort auch mit“, bietet auch Eggenhofer seine Unterstützung an. Zwar will er sich nicht auf das Podest am Marktplatz stellen, aber so hinten herum das Gerücht verbreiten. „De Polster hat einen umgebracht. A guade Idee.“
Der Gscheidle wird die Rolle der Karfreitagsratschn zugedacht.
„Gell, du rennst nachat gleich rum im Dorf und erzählst weiter, dass der Krautwickerl am Marktplatz was ausposaunt. Aber vergiss fei nix“, mahnt Eggenhofer.
Die Gscheidle ist in ihrem Element. Schon verweist sie auf ihre internationalen Kontakte und darauf, dass sie selbst zum Chef der Münchner Staatskanzlei die besten Beziehung hat. Gelegentlich frühstücke er sogar bei ihr im Armenhaus, erzählt sie. „Da fahr ich doch gleich morgen nach München rein und werd’ meim Aloiserl erzählen, was für eine falsche Matz die Polster ist. Der wird ihr dann schon die Wadln nach vorne drehen und sie postwendend aus Bayern ausweisen.“
Der Krautwickerl und die Gscheidl, besessen von ihrem Plan, machen sich auch schon auf den Weg. Was mir akrobatische Verrenkungen abfordert. Um nicht gesehen zu werden, muss ich nämlich blitzschnell unterm Tisch abtauchen.
Es war höchste Eisenbahn, weil die zwei Dorfratschn schneller als vermutet um den Kleiderständer herum gesaust sind und fast auch noch mein kleines Tischerl mit umgerannt hätten. Ich bleib unentdeckt und kann dem aufregenden Disput hinter dem Kleiderständer weiter lauschen. Ärgerlich nur, dass sich das Quartett noch auf keine Leiche geeinigt hat. Könnt’ jetzt leicht möglich sein, dass mich der Krautwickerl einen ganz anderen ermorden lässt als es der Eggenhofer und der Schultheiß im Sinn haben. Zum Schluss gibt es zwei Leichen, die mir dann in die Schuhe geschoben werden.

GANZ UNTER UNS

„Endlich san mia unter uns“, sagt der Eggenhofer. „De Gescheidle und den Krautwickerl kannst wirklich gut gebrauchen, wenn es ums Austratschen wichtiger Nachrichten geht. Da könnt ma doch gleich schon auf den Pollykarpsinger Dorfboten verzichten“, haut sich der Eggenhofer vor Freude auf die Schenkel. Im Geiste sieht er bereits den Pollykarpsinger Dorfboten am Galgen hängen. Als williges Werkzeug gelten der Krautwickerl und die Gscheidle allemal beim Schmieden von Intrigen. Die Gescheidle bekommt für ihre Dienste vom Eggenhofer außer einer gelegentlichen Mahlzeit auch noch ein kleines Taschengeld. Auch dem Krautwickerl steckt der Eggenhofer die eine oder andere Mark zu.
Der Krautwickerl nämlich gehört wie auch die Gscheidle zu den Hungerleidern, die es im Leben nie zu etwas gebracht haben. Dafür aber hat der Krautwickerl schon neun Kinder in die Welt gesetzt, die etwas zum Beißen brauchen. Dieses Glück ist der Gscheidle verwehrt geblieben, wie sie sagt. Aber wenn ihr Scheich einmal kommt, dann…
„Endlich san mia unter uns“, wiederholt sich der Eggenhofer.
„Jetzt können mia Tacheles reden.“
Er verzichtet sogar auf mein sehr verehrter Freund Schultheiß und …

EINE LEICHE IST SCHNELL GEFUNDEN

"Da hat sich doch neulich da Bauderer Heini aufgehängt?", sagt Eggenhofer.
"Ja schon. Aber was hat der denn mit der Bolster zu tun?", fragt der Schultheiß nach.
"Gar nichts", hör ich den Eggenhofer flüstern. "Aber des macht doch nichts. Mir behaupten jetzt einfach, die Polster hat falsch über ihn berichtet und deshalb hat er sich aufgehängt."
Mir haut es den zweiten Knödel von der Gabel. Aber gleich so, dass er vom Tisch fällt und unter den Stuhl rollt. Nur gut, dass die Resi die Rechnung dem Eggenhofer unterjubelt. Der Bauderer aber hat sich aufgehängt, weil er wegen Betrugs vor Gericht sollte. Außerdem hat er sich übernommen und Millionen Schulden gemacht. Die Zwangsräumung war bevor gestanden. Dann hätte er mit Frau und fünf Kindern zur Gscheidle ins Armenhaus gemusst.
"Na, was sagst?", schaut der Eggenhofer erwartungsvoll den Schultheiß an.
"Gut sag ich. Dann verjagen wir die Bolster aus dem Dorf und sind sie ein für allemal los. Gut Eggenhofer. Dafür bekommst noch ein Stückerl Land aus dem Gemeindesäckel dazu. Gut Eggenhofer. Wirklich gut."