POLSTER ALS MÖRDER

Hä, hä... Der Bauderer muss als Mordopfer her...

Ja, die Leiche war schnell gefunden. Der Bauderer Heini kann sich nicht mehr wehren und erfüllt jetzt nach seinem Tod noch eine gewichtige Rolle für den Schultheiß und den Eggenhofer. Wissen wenn er das täte, er täte sich im Grabe umdrehen. Denn zu Lebzeiten hat sich der Bauderer zwar in dubiosen Geschäften mit seinen beiden Fraktionskollegen verbündet, zuletzt aber hat er sich mit ihnen ganz und gar nicht mehr verstanden. Der Eggenhofer soll den Bauderer übers Ohr und in dubiose Ostgeschäfte verwickelt und dadurch in den Ruin getrieben haben. Und mit dem Schultheiß kommt man eh nur aus, wenn man kuscht oder ihn gänzlich in Ruhe lässt. Und das konnte der Bauderer nicht. Ganz im Gegenteil. Er hat den Schultheiß immer kritisiert und Kritik verträgt dieser nicht. Weder von Fraktionskollegen noch von der Opposition. Nur die Mama darf dem Schultheiß sagen, wo es lang geht. Nicht selten hat sie bei mir in der Redaktion angerufen und gesagt, ich müsste ihren Fritzl täglich ins Blatt bringen und wenn, dann nur lobend. "Wissen's", hat sie immer gesagt. "Der Bub ist ja noch so unselbständig. Fehlt g'rad noch, dass ich ihm seine Schuhbandl binden müsst."
Jetzt aber galt es für den Schultheiß und den Eggenhofer, ihre selbst gestrickte Mordtheorie unters Volk zu bringen.
"Gä, Resi, schick' doch schnell an Hausl los. Er soll die Gscheidle, an Boandlkramer und den Krautwickerl in die Ritterburg schicken. Dort haben wir eine wichtige Besprechung, soll er ihnen sagen", gibt der Eggenhofer in Auftrag. "Da, hast an Euro für den Hausl."
Jetzt heißt es für mich, erneut abzutauchen. Weil, hast du's nicht gesehen, huscht die Schultheißbande um die Ecke herum und raus aus dem Wirtshaus. Nicht ohne, dass der Eggenhofer großkotzig einen Fufzger auf den Tresen wirft. D'Resi räumt die Gläser und Teller und den Geldschein ab und als ich zahlen will, sagt sie: "Laß' stecken, des is beim Fufzger vom Eggenhofer scho no drin. Der Schlawiner der, hod doch bestimmt nia nia net nix guads net vor."
Der Lokalwechsel ärgert mich jetzt schon. Weil ich nicht mehr mit bekomme, was die Bande ausheckt. Doch ich wäre keine gute Heimatschreiberin, wüsste ich keinen Rat nicht.
"Resi, lass mich schnell mal telefonieren", sag ich ihr und druck ihr zwei Euro in die Hand.
"Mesner, wer spricht denn da?"
"Ich bins, Mesner. Tust du mir einen Gefallen?"
"Jeden, wenn ich keinen umbringen muss", sagt der Mesner. Nicht wissend, wie nahe er mit seiner flapsig dahin gemachten Bemerkung den aktuellen Geschehnissen entgegen kommt.
"Nein, umbringen musst keinen. Das hab' schon ich erledigt. Aber in d'Ritterburg musst schnell rübergehen und dich in der Nähe vom Schultheiß und seinem Clan postieren."
"Ja spinnst jetzt. Du hast doch keinen umbracht nicht?", macht sich der Mesner sorgen.
"Nein, nicht wirklich, Mesner. Aber unser Pollykarpsinger Intrigantenstadl will mir den Tod vom Bauderer in die Schuhe schieben. Sie sind gerade fleißig dabei, einen Schlachtplan zu entwerfen. Und dafür treffen sie sich in der Ritterburg."
"Hab's verstanden. Ich saus schon los, damit ich nichts versäum'."
"Pass aber auf, dass’d nicht gleich gesehen wirst. Die haben dich eh schon in Verdacht, dass du mir das eine oder andere steckst."
Während sich der Mesner auf den Weg macht, versuche ich mich abzulenken und die Wochenproduktion so weit fertig zu machen, dass sie gedruckt werden kann. Einmal die Woche erscheinen wir. Die Leute lesen das Blatt gerne, weil sich darin das dörfliche Leben so abspielt, wie es wirklich ist. "Kaninchen auf dem Vormarsch", titele ich einen Artikel über den hiesigen Kaninchenzüchterverein.
Da geht die Tür auf und ein Wut schnaufender Ofenkircher stürmt herein.
„Also, das ist eine derartige Unverschämtheit“, schreit der Ofenkirchner und knallt mir einen ablehnenden Bescheid des Dorfschulzen auf den Tisch. „Lehnt dieser windige Zacherl doch meine neue Halle anstelle des Armenhauses ab. Und nur, weil de blede Gscheidle als einzige noch in dem Armenhaus hockt. Wo doch die Bruchbude längst abgerissen gehört. Schreims…“.
Mühsam versuche ich Benno Ofenkircher, der mich mal duzt und mal siezt, daran zu erinnern, dass er mir erstens einen größeren Anzeigenauftrag entzogen hat, weil ich die Wahrheit über die Gscheidle geschrieben habe. Und zweitens, habe ich ihm erklärt, schreibe ich nicht auf Befehl.
„Mei Polster. Jetzt vergiss des doch. Weißt ja eh, dass deine Artikel die besten sind und des is scho Recht, wenn du dem Intregantenstadl um die Gscheidle herum einmal richtig den Marsch bläst. Und jetzt schreib… Kriegst auch den Anzeigenauftrag wieder. Versprochen.“
Damit ich meine Ruhe habe, zücke ich den Bleistift, schreibe mit, was mir der Ofenkircher diktiert, nicke gehorsamst und denke mir meinen Teil.
Den Ofenkircher aber habe ich los, der Zettel mit den Notizen wandert in den Papierkorb. Wer weiß, wie der Ofenkircher morgen darüber denkt. Könnt’ leicht sein, dass er mit dem Schulheiß bis dahin längst wieder eins ist und dann versucht, mir die Rübe abzureißen, weil mein Artikel ja erst nächste Woche erscheint. Fragt er nächste Woche tatsächlich nach, wo sein Artikel geblieben ist, mache ich die Druckerei dafür verantwortlich.
„Freiwillige Feuerwehr rettet Kater aus dem Dorfweiher“, titele ich die nächste Geschichte. Das lesen die Leute gerne. Alles was mit Kindern, Tieren und alten Leuten zu tun hat, kommt an. Versuche, dem Blatt eine kleine intellektuelle Wendung zu geben, waren bisher gescheitert. Weniger an den Lesern als an den Anzeigenkunden. Sie sehen sich zwar selbst gerne auf Seite eins. Sobald aber eine Geschichte über die sensationelle Erfindung eines hiesigen Wissenschaftlers nach vorne rückt, drohen sie mit der Stornierung ihres Abos. „Weißt“, hat der Ofenkircher einmal mit stolz geschwellter Brust gesagt. „Die Macht liegt in meiner Hand. Weil ich das Geld habe und dich vernichten kann, wenn ich will. Eine Anzeige weniger und du kannst’ deine Ausgabe einstampfen. Oder die Seiten mit dem Stempelkissen drucken, weilst kein Geld mehr hast, die Druckereirechnung zu bezahlen.“
„Ja, Herr Ofenkircher“, denk’ ich mir da. „Und du hast trotz deinem vielen Geld nicht die Macht dazu, aus deinem grantigen Dachscherben zu Hause eine dich liebende Frau zu machen.“
Wo bloß der Anruf vom Mesner Toni bleibt.